SPD-Fraktion lehnt drastische Grundsteuererhöhung ab

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Fath,
sehr geehrte Frau Zethner,
sehr geehrte Kollegen,

Der Stadtrat hat in seiner Sitzung vom 18. Januar 2017 mit der Mehrheit von Freien Wählern und CSU eine Erhöhung der Grundsteuern A und B von 370 auf 470 Prozentpunkte = 27% ab dem Jahr 2017 beschlossen. Hier die Stellungnahme unserer Fraktion zur ablehnenden Haltung. Es gilt das gesprochene Wort.

die SPD / Grüne Stadtratsfraktion wird dem von der Verwaltung als „Agenda 2017 – 2021“ bezeichneten und vorgelegten Papier nicht zustimmen

Dafür sind folgende vier Gründe maßgeblich:

  1. Das vorgelegte Konzept löst die Strukturprobleme der Stadt nicht und führt zum totalen Stillstand bei der Stadtentwicklung.
  2. Die Stadt rechnet sich künstlich arm.
  3. Es handelt sich um einen massiven Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger. Wörth hätte mit Abstand den höchsten Grundsteuerhebesatz im Landkreis. Die Steuer steigt um 27 %.
  4. Alternative Finanzierungsmodelle die den Haushalt entlasten sind bis zum heutigen Zeitpunkt nicht ernsthaft geprüft worden. Der wiederholte Prüfungsauftrag zur Umsetzung des Bauhofs als ÖPP ist bisher nicht erledigt.

Zu 1. Keine Lösung der Strukturprobleme

Der Vorschlag der Verwaltung läuft im Kern darauf hinaus, drängende Aufgaben in die Zeit nach 2021 und zum Teil 2025 zu verschieben. Der Vorschlag führt zu einem fast völligen Stillstand der Entwicklung für die nächsten vier bzw. acht Jahre Es besteht kein Handlungsspielraum für eine weitere Entwicklung. Folgende Maßnahmen, die zum Teil bereits lange anstehen, sollen in den Zeitraum nach 2021 bzw. 2025 verschoben werden. Sanierung / Erneuerung des BahnhofsumfeldsRückbau LandstraßeGeneralsanierung KiTa 2Generalsanierung RathausdachFriedhof – Verbesserung des WegenetzesRadweg Bahnstraße.BootsanlegerWir finden es unredlich, dass auf dem Neujahrsempfang am vergangenen Sonntag ein Teil der oben genannten Maßnahmen, wie zum Beispiel die Erneuerung des Bahnhofumfelds unter dem Titel „Ausblick 2017“ angekündigt worden ist. Umgesetzt werden sollen im Zeitraum bis 2021 lediglich Der Neubau des BauhofsRenovierung RathausAnbau Krippengruppe in der KiTa Rasselbande.Anschaffungen für die freiwillige Feuerwehr (TLF Ersatzbeschaffung, Mehrzweckboot und VerkehrssicherungsanhängerSanierung der Mauer Friedhof (Verkehrssicherungspflicht)Die Sanierung der Infrastruktur in der Siedlung und in Neu-WörthWobei die letzte Maßnahme, die Sanierung der Straßen und Kanäle, zu einem guten Teil aus den Anliegerbeiträgen finanziert werden wird. Die Erschließung weiteren Wohnraums und andere wichtige Infrastrukturmaßnahmen, sowie neue Angebote aus dem Bereich freiwilliger Leistungen, sind für die nächsten acht Jahre nicht umsetzbar. Auch für das am vergangenen Sonntag als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnete Vorhaben, im Zuge der Entwicklung des SAF Geländes den Turm des Schlosses wieder nutzbar zu machen, wird nach dem vorgelegten Plan bis 2025 nicht möglich sein. Dem Plan fehlt jegliche Vision wie die Zukunft gestaltet werden soll. Er bedeutet absoluten Stillstand in der Stadtentwicklung.

Zu 2. Die Stadt rechnet sich ohne Not künstlich arm

Die kameralistische Buchhaltung kennt keine Abschreibungen für den Wertverzehr. Also die Berücksichtigung des Wertverlusts, den Gebäude und andere Vermögensgegenstände mit der Zeit erleiden, weil der Zahn der Zeit an Ihnen nagt. Es ist sicher unvernünftig diesen Wertverzehr nicht im Blick zu haben. Wer dies nicht tut lebt auf Dauer von der Substanz und hat keine Rücklagen, wenn Investitionen anstehen.

Die Kämmerei setzt den Wertverzehr mit im Ergebnis jährlich 1,5 Mio EUR an. Diese 1,5 Mio EUR schlagen sich aber, ohne dass sie im Rahmen kameralistischer Buchhaltung zu berücksichtigen wären, bei der Berechnung der Soll Zuführung zum Vermögenshaushalt entsprechend durch. Berücksichtigt man sie nicht so bleibt übrig, dass die Stadt im Jahr 2017 ohne die vorgeschlagene Steuererhöhung und unter Berücksichtigung der weiteren Senkung der Kreisumlage um einen Punkt eine negative freie Spitze von -100.000 EUR hat. In den Jahren 2018 bis 2020 liegt diese bei 380.000 EUR, 270.000 EUR und 310.000 EUR. Sie erreicht damit zwar nicht die Empfehlung des Landkreises Miltenberg von 500.000 EUR gibt trotzdem ausreichend Handlungsspielraum.

Schon daraus ergeben sich erhebliche Zweifel an der Notwendigkeit einer Steuererhöhung. Dabei sind noch nicht die weiteren entlastenden Effekte bedacht, auf die ich unter Punkt 4 näher eingehen werde. Nämlich die Möglichkeit alternativer Finanzierung von Investitionen.

Zu 3. Hochsteuerkommune Wörth

Wörth hat derzeit einen Grundsteuerhebesatz von 370 Punkten. Damit liegen wir bereits am oberen Ende der Tabelle im Landkreis Miltenberg. Eine Erhöhung der Steuer um 100 Punkte entspricht einer Verteuerung um 27 %. Das ist ein massiver Griff in die Taschen der Bürger. Der Durchschnitt der Grundsteuer B der Gemeinden im Landkreis Miltenberg beträgt 326 Punkte. Diesen überschreiten wir bereits jetzt um 44 Punkte oder 13,5 %. Mit der Erhöhung um 100 Punkte wären wir nicht nur mit Abstand Spitzenreiter im Landkreis, sondern zugleich 44 % über dem Landkreisdurchschnitt. Wir würden unseren Einwohnern also eine um nahezu die Hälfte höhere Grundsteuer B zumuten als den Einwohnern des restlichen Landkreises Miltenberg. Um die Zahlen richtig einzuordnen: Selbst die Stadt Aschaffenburg (400 Punkte) würden wir weit hinter uns lassen. Auch in Würzburg (440 Punkte) zahlen die Bürgerinnen und Bürger weniger. Lediglich München und Nürnberg liegen noch vor uns (je 535 Punkte). Wörth bewegt sich dann, zumindest was das Steuerniveau betrifft, in etwa auf Augenhöhe mit Frankfurt (500 Punkte).

Eine außerordentlich negative Botschaft für alle die überlegen nach Wörth zu ziehen. Aber Geld für die Ausweisung und Erschließung neuer Wohngebiete sieht die Agenda 2017 – 2021 ja ohnehin nicht vor. Bei der Gewerbesteuer ist die Lage nicht ganz so drastisch. Selbst mit der Erhöhung lägen wir „nur“ im Spitzenfeld im Landkreis Miltenberg. Auch wenn die Gewerbesteuer nur um 10 Punkte erhöht werden soll. Ein völlig falsches Signal. In Zeiten, in denen wir einen massiven Wegzug von Gewerbebetrieben erleben und mit der Entwicklung des Gewerbegebiets Weidenhecken auf Neuansiedlungen hoffen.

Die Vorlage der Verwaltung sieht eine Festschreibung der Steuererhöhungen bis mindestens 2021 vor. Ein solcher Beschluss wäre das Papier nicht Wert, auf dem er steht. Sie spricht sogar davon die Steuer ggf. später wieder zu senken. Auch das ist reine Augenwischerei. Den Soli gibt es auch immer noch. Und die Sektsteuer wurde 1902 mit dem Zweck eingeführt, den Ausbau der kaiserlichen Marine zu finanzieren. Eine kaiserliche Marine gibt es seit 1918 nicht mehr. Die Sektsteuer noch heute.

Zu 4. Prüfung alternativer Finanzierungsmethoden

Die seit der – wegen der prekären Haushaltslage einberufenen – außerordentlichen Stadtratssitzung vom 19. März 2016 im Raum stehende Frage, ob zum Beispiel die Errichtung des Bauhofs als ÖPP Projekt eine Alternative darstellen kann ist bis heute nicht beantwortet. Aus diesem Vorhaben können ggf. bis zu 1.8 Mio. EUR an Kreditaufnahmen erspart werden. Dies hat –auch, wenn stattdessen über den Nutzungszeitraum ein Nutzungsentgelt zu zahlen ist – deutlich entlastende Auswirkungen auf den Haushalt, da die Anschaffung nicht vorfinanziert werden muss. Wichtige Kennzahlen wie die freie Spitze würden dadurch positiv beeinflusst und ggf. Mittel frei um andere – auf die lange Bank geschobene Vorhaben – früher zu verwirklichen ohne Steuern erhöhen zu müssen. So lange die vom Stadtrat in Auftrag gegebene Evaluierung einer alternativen Finanzierung der Bauhoffinanzierung nicht vorliegt, halten wir es für unverantwortlich, noch dazu auf der Grundlage unvollständiger Fakten, eine Entscheidung über Steuererhöhungen zu treffen. Zumal Wörth auch jetzt schon im Landkreisdurchschnitt zum besonders teuren Pflaster gehört.

Ich komme zum Schluss:

Wir können dem vorgelegten sogenannten Konzept und vor allem der darin vorgesehenen massiven Steuererhöhung nicht zustimmen, weil damit die strukturellen und finanziellen Probleme der Stadt nicht gelöst werden und gleichzeitig die Bürgerinnen und Bürger durch erhebliche Steuererhöhungen ohne Not über Gebühr belastet werden.

Für die Fraktion SPD/GRÜNE
Steffen Salvenmoser, 2. Bürgermeister

Kommentar hinterlassen