zu Gast in Wörth anlässlich des 100 jährigen Jubiläum der SPD Wörth
Vizekanzler Franz Müntefering am Untermain: Im Gespräch mit dem Wörther Bürgermeister Erwin Dotzel (links) und der SPD-Bundestagsabgeordneten Heidi Wright. Foto: Ruth Weitz
Auf seinem Weg zur 100-Jahrfeier des SPD-Ortsvereins Wörth (Kreis Miltenberg) besuchte gestern Bundesarbeitsminister Franz Müntefering eines der ältesten Industriedenkmale des früheren Landkreises Marktheidenfeld, die Hammerschmiede in Hasloch. Hier führte ihm Hammerschmied Armin Hock aus Faulbach vor, wie man aus einem Stück glühenden Eisens einen Glockenklöppel schmiedet, was Müntefering (Mitte, mit weißem Helm) faszinierte. Der Arbeitsminister ließ sich anschließend durch den modernen Betrieb der Firma Kurtz in Hasloch führen, die Weltmarktführerin in der Herstellung von Maschinen ist, die wiederum Styroporprodukte in allen Variationen erzeugen. (Siehe »Report«) L.P. / Foto: Lothar Pfaff
Klare Worte erst am Schluss
Von unserer Redaktion
HASLOCH. Erst gegen Ende seines Besuches beim Maschinenbauer Kurtz in Hasloch zeigte sich Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) als Mann des klaren Wortes. »In neue Atomkraftwerke investieren? Das will in Deutschland nun wirklich keiner«, entgegnete er dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Kurtz Gruppe, Rainer Kurtz. Dieser hatte gegenüber dem Vizekanzler über die ständig steigenden Energiepreise geklagt, die auch seinem Unternehmen zu schaffen machten. Mittlerweile beliefen sie sich schon auf zehn Prozent des Umsatzes. Mit mehr Atomkraftwerken ließe sich der Strompreis leichter begrenzen, so Kurtz.
Doch das wollte der ehemalige SPD-Vorsitzende so nicht stehen lassen: Irrwitzig sei es, die Energieprobleme der Welt alleine mit mehr Atomkraftwerken lösen zu wollen. Zumal das Problem der Endlagerung des Atommülls bis heute noch nicht befriedigend gelöst sei, so Müntefering. Insofern sei der unter Bundeskanzler Gerhard Schröder vereinbarte Atomausstieg genau die richtige Entscheidung gewesen. Seine Partei halte daran aus gutem Grund fest.
Zuvor hatte man in Hasloch einen eher zurückhaltenden Bundesarbeitsminister erlebt. Ruhig und ohne allzu viele eigene Anmerkungen verfolgte er den Besuch der Hammerschmiede der Firma Kurtz. Nur einige gezielte Zwischenfragen Münteferings zu Details des Produktionsprozesses verrieten, dass der Vizekanzler nicht nur geistig voll bei der Sache war, sondern auch ein Kenner der Materie ist. »Wenn ich den Geruch von Metall in der Nase spüre, muss ich an meine eigene Lehre denken«, räumte der gelernte Industriekaufmann ein.
Dass mit ihm als Politiker weiter zu rechnen sein wird, zeigten Münteferings Reaktionen, sobald Fragen des politischen Tagesgeschäfts zur Sprache kamen. Mit Schweigen beantwortete er zwar noch die Anmerkung von Rainer Kurtz, man habe durchaus Sympathie für seine Position im Streit mit SPD-Chef Kurt Beck über die Länge der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I gehabt. Doch ansonsten nahm der Bundesarbeitsminister kein Blatt vor den Mund.
Thema Erbschaftssteuer: Familienbetriebe sollten dadurch nicht zur Aufgabe gezwungen werden. Doch was Unternehmer als Gewinnentnahme auf ihr Privatkonto umbuchten, dürfe für das Finanzamt nicht tabu sein, so Müntefering.
Zudem habe man die Steuerlast für die Unternehmen schon unter Bundeskanzler Schröder gesenkt. Jetzt gehe es eher darum, die Lohnnebenkosten runter zu bekommen. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von einstmals 6,5 Prozent werde bald auf 3,5 Prozent sinken, unterstrich der Vizekanzler. Dafür hätte man die Politiker durchaus auch einmal loben können. »Doch wir können machen, was wir wollen. Kurze Zeit später kommt schon die nächste Forderung an die Politik«, meinte Müntefering.
Nicht minder klare Worte gab es beim Thema flexiblere Arbeitszeiten und Mindestlohn. Anstatt ständig über ein zu starres Arbeitsrecht zu klagen, solle der Vorsitzende des Deutschen Arbeitgeberverbandes, Dieter Hundt, »seinen Leuten mal erklären, was heute an Flexibilität schon alles möglich ist«, sagte der Bundesarbeitsminister.
Ein Mindestlohn helfe Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Schließlich gebe es ihn in 22 von 27 EU-Staaten. Und sogar in den USA habe man damit keine Probleme. Zudem: »Ich mache die Löhne nicht«, erklärte der Vizekanzler. Ein branchenbezogener Mindestlohn käme in Deutschland nur zustande, wenn »Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam mit dem Anliegen auf mich zukommen«. Das sei zuletzt bei den Briefträgern der Fall gewesen. So spricht kein Politiker, der amtsmüde ist und insgeheim ans Aufhören denkt. Martin Flenner